Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 9. Juni 2015 (BGH X ZR 51/13 – Einspritzventil), die zur Veröffentlichung vorgesehen ist, folgendes festgehalten (amtliche Leitsätze):
a) Angriffs- oder Verteidigungsmittel, eine Klageänderung oder eine Verteidigung mit beschränkten Patentansprüchen, die das Patentgericht nicht nach § 83 Abs. 4 PatG zurückgewiesen hat, können auch im Berufungsverfahren nicht zurückgewiesen werden.
b) Ein Nichtigkeitsgrund, der erst nach dem Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG geltend gemacht worden ist, den das Patentgericht jedoch sachlich beschieden hat, fällt auch dann ohne weiteres im Berufungsverfahren zur Entscheidung an, wenn das Patentgericht offen gelassen hat, ob die Zulassung des weiteren Nichtigkeitsgrundes sachdienlich ist.
Im entschiedenen Fall wurde nach dem Hinweis des BPatG nach § 83 Abs. 4 PatG der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Ausführbarkeit geltend gemacht. Das BPatG hat diese Klageerweiterung nicht als verspätet zurückgewiesen und sachlich beschieden, obwohl es ausdrücklich offen gelassen hatte, ob diese Klageänderung sachdienlich war.
Der BGH hat nun entschieden, dass die Beklagte die Verspätung nicht mehr im Berufungsverfahren rügen kann. § 116 Abs. 2 PatG ist schon nicht einschlägig, da dies einen erst in der zweiten Instanz eingeführten Nichtigkeitsgrund voraussetzt. Der Bundesgerichtshof führt dann wörtlich aus:
Eine in erster Instanz Instanz unterbliebene Zurückweisung verspäteten Vorbringens oder verspäteter Anträge kann in der Berufungsinstanz nicht nachgeholt werden. Hierfür bietet das gesetz keine Grundlage, und dies kommt auch schon deswegen nicht in Betracht, weil die Zurückweisung, die im Übrigen im Ermessen des Patentgerichtes steht, unter anderem zur Voraussetzung hat, dass die Berücksichtigung des neuen Vortrages eine vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht erforderte (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a PatG), und diese Voraussetzung im Berufungsverfahren nicht nachträglich eintreten kann.
(BGH X ZR 51/13 – Einspritzventil – Randziffer 62)
Der BGH stellt damit klar, dass der Gegenstand des Berufungsverfahrens nicht hinter dem des Verfahrens vor dem Bundespatentgericht zurück bleiben kann, das BPatG also mit seiner Zulassung (bzw. unterbliebenen Zurückweisung) von neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln den Rahmen für den Prüfungsumfang des BGH setzt.
Die vollständige Entscheidung des BGH finden Sie hier: BGH X ZR 51/13 – Einspritzventil
Anmerkung: An der besprochenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH X ZR 51/13 – Einspritzventil) waren Rechtsanwalt Dr. Michael Schramm und Patentanwalt Dr. Günther Schneider aus unserer Sozietät als Vertreter der Beklagten zu 2 beteiligt.
Stand: 26.07.2015